Programmatic Retail: Die Innenstadt ist tot, es lebe die Innenstadt!

Drei Retailer auf einem Panel, die mit ihren Geschäften in der Großstadt erfolgreich sind, das lässt auch Schwarzmaler aufhorchen. Dass Onlineshopping sehr wohl immer wichtiger wird, ist jedem klar und gerade deshalb bedeutet ein Geschäft am Platze auch nicht, dass man einfach alles so macht, wie früher: Nina Müller (Jelmoli), Benjamin Fuest (Breuninger) und André Maeder (KaDeWe Group) setzen unterschiedliche Schwerpunkte, sind sich aber einig: Für erfolgreiche Kundenbindung muss man ein Narrativ haben und sich für die Geschäfte ständig etwas Neues einfallen lassen.

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Die Rückkehr des klassischen Marktplatzes also? Jein. Erstens gehen die Experten auf dem Panel davon aus, dass in ihrer Branche bis zum Jahr 2030 die Hälfte des deutschen Geschäfts online abgewickelt wird. Zweitens muss man schon deutlich mehr dafür tun als früher, dass die Leute den Weg ins Geschäft auf sich nehmen. Im SHIFT-Gespräch mit diesen drei Leuchtturm-Vertretern, die allesamt ein gehobenes Sortiment anbieten, wird das Erfolgsrezept schnell klar: Alles ist ineinander verzahnt. Vor Ort die klassische Beratung mit individuellen Angeboten und originellen Events oder Showrooms, das stationäre Geschäft mit dem Online-Handel – alles in allem Storytelling vom Feinsten.

Das ist aufwändig, doch viele haben auch den Drive, diesen Schritt zu gehen. Die KaDeWe Group zum Beispiel nimmt über sieben Jahre 600 Millionen Euro für grundlegende Modernisierungen in die Hand. Die Hälfte dieses Geldes kommt von den Markenpartnern, erklärt Maeder – und das zeige bereits, dass der Glaube in einen vitalen Innenstadthandel groß ist.

Ähnlich sieht es auch Benjamin Fuest. Präsenz in den wichtigen Fußgängerzonen des Landes zu zeigen, schafft Mehrwert. „Wir haben auch online gute Umsätze – dort, wo wir Häuser haben.“

Nina Müller, CEO des Schweizer Traditionshauses Jemoli, weiß um die Vorzüge des historisch bedeutsamen Gebäudes in der Züricher Bahnhofstraße, in dem Jemoli sein Stammhaus hat. Aber auch sie sagt: „Die Bahnhofstraße verändert sich gewaltig, wir müssen uns mitverändern.“ Als Traditionshaus dürfe man durchaus auch Dinge machen, die überraschen. Aber darum das schöne Gebäude gleich aufgeben? Kommt gar nicht in Frage.

Fraglich ist, ob das Erfolgskonzept universal gilt. Haben Luxus-Retailer hier einen Vorteil? „In Zürich gibt es schon einzelne Geschäfte, die sich sehr wohl weiterentwickeln. Aber einfach ist es nicht, du brauchst die finanziellen Mittel, das ist nicht für jeden zu machen“, räumt Müller ein. Entscheidend dafür sei es, seine Kunden zu kennen, genau zu wissen, was sie wollen – dann, findet Maeder, hat jeder die Chance mit ansprechenden Aktionen den eigenen Laden sowie die Nachbarschaft zu beleben.

Für einen erfolgreichen Innenstadt-Store reicht aber gutes Marketing allein immer noch nicht. Um das Kaufhaus herum muss ebenfalls das Leben pulsieren, sonst kommt niemand. „Wir haben einen Auftrag, die Städte mit zu entwickeln“, gibt Fuest zu bedenken. Maeder ergänzt mit dem Bedarf sinnvoller Konzepte für die Belebung der Fußgängerzonen und der Tatsache: Als das KADEWE einmal an einem Sonntag öffnete, an dem alle anderen in Berlin geschlossen hatten, war der eigene Umsatz deutlich niedriger. Konkurrenz belebt also das Geschäft – im wahrsten Sinne des Wortes.