War for Talent: „5-Tage-Woche? Da kommt keiner mehr!“

Der deutsche Arbeitsmarkt steckt inmitten eines radikalen Wandels: Die besten Performer sind rar, und sie haben höhere Ansprüche als früher. Drückt das die Leistung? Mit der Erfahrung von Hugo Boss, Zalando und hartmann consultants entwickelt sich gleich im ersten Panel von SHIFT eine Diskussion um eine spannende Gratwanderung: Wie behalte ich die Besten an Bord, wo muss ich der freiheitsliebenden Generation Z Grenzen aufzeigen? Und wie sehr muss ich meine Unternehmenskultur anpassen?

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„War for talent is over – talent has won“ – dahinter steht im Titel zu diesem Panel zwar noch ein schüchternes Fragezeichen. Aber im Gespräch mit Dr. Marc Schumacher, Simone Hartmann, Inhaberin von hartmann consultants,  mit der ehemaligen Head of People & Organisation von Zalando, Basma Geigenmüller, sowie mit Jochen Eckhold, der bei Hugo Boss weltweit für den Bereich Human Ressources verantwortlich ist, wird die Frage gar nicht mehr gestellt, denn es ist klar, dass ein Ausrufezeichen dahintersteht: Talent has won! Damit steht gleich auch die Anpassungsfähigkeit eines Vorstands oder eine Führungspersönlichkeit im Fokus. Wie also umgehen mit der Generation Z, die im Interviewgespräch gerne gleich das Thema Workload als Einstiegsfrage stellt.

Der Bereich Human Resources gehört für Simone Hartmann längst direkt im Board eines modernen Arbeitgebers verankert und nicht irgendwo unterhalb angesiedelt. Ein Unternehmen muss eine Gesamthaltung zum Thema Human Resources und Recruitment haben und umsetzen, nicht nur die HR-Abteilung. Topleute registrieren nämlich ganz genau, in was das Unternehmen investiert, welcher Mindset zu den Themen besteht und welche Schwergewichte ein Unternehmen für sich gewinnen kann. Es sind mittlerweile wichtige Kriterien für Top-Performer bei der Arbeitgeberentscheidung.

Irgendwo sei das auch eine gute Nachricht, findet vor allem manch Zuhörer: Es geht wieder mehr um den Menschen und weniger um das Konstrukt Unternehmen. „Du musst dich anpassen“, sagt auch Jochen Eckhold, „insgesamt müssen wir mehr anbieten als früher.“ Es sei wie „5-Sterne-HR, wie in einem Hotel“, auch wenn man sich natürlich nicht anbiedern dürfe. Human Resources deluxe, das bedeutet natürlich auch: mehr Kosten. Eckhold schätzt, dass sich die Mehrausgaben auf einen einstelligen Prozentbetrag belaufen, und fasst zusammen: „Die Leistungsbilanz stimmt im Großen und Ganzen, aber man muss mehr investieren, um das gleiche zu erreichen.“

Hugo Boss sei „sexy“, die ganz großen Probleme hat die Marke mit dem einschneidenden Wandel noch nicht, weil die intrinsische Motivation der Mitarbeiter sehr hoch sei. Trotzdem sagt auch Eckhold: „Die Menschen wollen zu Hugo Boss, aber sie kommen mit anderen Erwartungen und Anforderungen.“ Eine 5-Tage-Woche brauche man niemandem mehr anzubieten, das gilt höchstens für einen Betrieb auf dem Land, wo der Bewerber aus dem Nachbardorf sein Häuschen vielleicht schon gebaut hat.

Ganz besonders wichtig sei da: zuhören! Findet vor allem Basma Geigenmüller, die als ehemalige Personalleiterin bei Zalando sowie jetzt als Coach und Consultant schon verschiedenste Blicke auf das Problem geworfen hat. Konkret: Wie es den Mitarbeitern geht, sollte mehrfach im Jahr abgefragt werden. Die Fragen sollten hierzu sogar noch konkreter und zielgerichteter werden, wie etwa: „Was können wir tun, damit wir dir eine attraktive Perspektive bei uns schaffen können? Es ist einfach kein Arbeitgebermarkt mehr“, fügt sie an, „es braucht ein starkes internes Employer Branding und eine positive Unternehmenskultur.“

Abgesehen davon, dass man sowieso keine Möglichkeit habe, in Zeiten von Fluktuationen um 30 Prozent anders zu handeln: Die Herangehensweise bringt auch eine Menge Vorteile, findet Geigenmüller, zumindest dann, wenn man Veränderungen gegenüber offen ist. Denn es hilft, das eigene Unternehmensprofil zu schärfen, sich bewusst zu machen, wofür man eigentlich steht. „Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten“, antwortet sie auf die Frage, wie ein Unternehmen sich selbst attraktiver aufstellen kann.

Eckhold ist da ganz auf ihrer Seite: Er glaubt, dass ein anderes, aber auch ein besseres Unternehmen entsteht, wenn man diese Gedanken bis zum Ende durchspielt. „Wir wollen ja ein Ökosystem schaffen, wo du besser performen kannst“, sagt er. Wie man die Menschen wirklich motiviert, wie man sie aktiviert, das seien nun keine weichen Themen mehr, sondern harte, kompetitive Fragen.

Apropos weich: Ist die laxe Arbeitshaltung Ausdruck einer verweichlichten Generation? Moderator Dr. Marc Schumacher hat stark den Eindruck. Eckhold findet, zumindest seien die gesellschaftlichen Ansprüche an die Unternehmen gewachsen: „Der Erziehungsauftrag wandert von den Eltern zur Schule zum Arbeitgeber. Wir sollen jetzt die Menschen widerstandsfähig machen.“ Das bedeutet, sie im Rahmen eines Projekts auch mal in kaltes Wasser zu werfen. Einige werden die Ziele nicht erreichen. Aber: Es gibt sie noch, die Widerstandsfähigen.

Simone Hartmann hat eine ähnliche Beobachtung gemacht. Zumindest auf der Führungsebene großer Betriebe. Es gäbe immer noch viele, die sagen: Ich will Vorstand werden, ich will mich voll und ganz committen. Bei den aktuellen Vorständen sei auch die Nachricht angekommen: „Wir müssen an uns selbst arbeiten, um gute Leute einzustellen. Das bedeutet: qualitative Verbesserung.“ Im mittleren Management allerdings herrsche mittlerweile mehr Zögerlichkeit – wie viel will ich mir denn wirklich zumuten? Hier sei ganz besonders „Klarheit in der Aufstellung der Firma“ von Nöten. Wie innovativ ist sie, welche Entwicklungsmöglichkeiten bietet sie an? Gerade die Besten seien doch auch stolz, in einem innovativen Umfeld zu arbeiten. Insofern haben all jene, die genau das bieten und darüber authentisch berichten können, relativ wenig zu befürchten.

Tom Junkersdorf, der mit seinem Unternehmen OFF-SCRIPT Unternehmen wie Einzelpersonen ganzheitlich medial berät, gab er bei SHIFT einen besonderen Einblick zum Thema Personal Branding. Als Medienprofi hat er Druckerpressen, PR-Interview-Häcksler sowie wirtschaftliche Sachzwänge einfach hinter sich gelassen und sich auf das konzentriert, was er am liebsten transportiert: journalistische Inhalte.

Auf die Frage, ob auch ein Unternehmen einen erfolgreichen Podcast machen könne, oder ob es dazu ein Gesicht braucht, eine konkrete Person, antwortet Junkersdorf: „CEOs müssen erkennen, dass auch sie Marken sind, die ihre Social-Media-Kanäle mit relevanten Content bespielen müssen.“ Dann vertraut man ihnen auch und sie werden erfolgsentscheidender und elementarer Teil des Human Resources-Auftrages.